Hanussen: Karriere und Fall einer schillernden Persönlichkeit

Hanussen: Karriere und Fall einer schillernden Persönlichkeit
Hanussen: Karriere und Fall einer schillernden Persönlichkeit
 
Erik Jan Hanussen kam am 02.07.1889 als Hermann Steinschneider in einem Vorort von Wien in ärmlichen Verhältnissen zur Welt. Er soll aus einem Rabbinergeschlecht aus Prossnitz in der Tschechoslowakei gestammt haben. Hanussen erlangte große Berühmtheit, als er ab etwa 1918 in öffentlichen Auftritten seine (angeblichen) Fähigkeiten im Hellsehen und im Okkultismus unter Beweis stellte. Die meisten seiner Experimente waren aber wohl nur Tricks und Bluffs. Hanussen trat in Europa, Asien und den USA auf und erregte dabei großes Aufsehen. Er hatte zwar keine besondere Schulbildung genossen, war aber von hoher Intelligenz und konnte sich sehr gut auf Menschen einstellen. Mehr als zehn Jahre lang versuchte er so, eine eigene »Schule des Okkultismus« zu begründen, obwohl er eigentlich anfangs diesem Phänomen sehr reserviert gegenübergestanden hatte. Hanussen wurde am 24.03.1933 ermordet. Seine Leiche fand man später in einem Wald bei Zossen in der Nähe von Berlin.
 
 Ein Aufsehen erregender Prozess
 
Von 1928 bis 1930 fand gegen Hanussen ein Aufsehen erregender Prozess im böhmischen Leitmeritz statt. Er war dabei des Betruges in 34 Fällen angeklagt, weil er Klienten aufgrund seiner angeblichen paranormalen Erfahrungen beraten hatte. Zu seiner Verteidigung brachte Hanussen vor, dass er bereits als Gutachter in ähnlichen Fällen vor Gericht tätig geworden sei. Zudem bot er dem Gericht an, seine Fähigkeit zu außersinnlichen Wahrnehmungen anhand von Experimenten zweifelsfrei zu beweisen. Das Gericht reagierte auf diesen Vorschlag wie folgt: »Es wird ausdrücklich festgestellt, dass für den Angeklagten kein Zwang besteht, einen Beweis durch Experimente anzubieten. Er ist gegenwärtig großen Anstrengungen ausgesetzt; wenn er von seinem Beweisantrag zurücktreten sollte, würde das Gericht daraus nicht folgern, dass er die von ihm behaupteten Fähigkeiten nicht besitze.« Bei so viel Verständnis verwundert es wohl nicht, dass Hanussen schließlich freigesprochen wurde. Vorher hatte er noch darauf bestanden, einige Experimente im Gerichtssaal durchführen zu können. Das Gericht schrieb dazu in seinem Urteil: »Übrigens glaubt der Gerichtshof bei aller Vorsicht aussprechen zu dürfen, dass der Angeklagte über gewisse rätselhafte Geistesfähigkeiten verfügt.« Auf dieses Verfahren berief sich Hanussen immer wieder, da hierdurch seine übersinnlichen Fähigkeiten angeblich gerichtsnotorisch festgestellt worden seien.
 
 Nähe zu den Nationalsozialisten
 
Hanussen hatte bis Anfang der 30er-Jahre großen Erfolg, überwarf sich dann aber mit seinem jüdischen Sekretär und Assistenten Erich Juhn, der Hanussens Tricks und jüdische Abstammung verraten hatte.
 
Hanussen kam Anfang der 30er-Jahre mit den Nationalsozialisten in Kontakt, lieh einigen von ihnen viel Geld und »sagte« dann auch die »Machtergreifung« und den Reichstagsbrand »voraus«. Schließlich wurde er am 24.03.1933 von einem SA-Kommando auf Befehl des SA-Führers Karl Ernst ermordet. Die wahren Gründe für diese Tat sind bis heute nicht eindeutig geklärt worden.
 
 Ein Zeitdokument
 
Ein Zeitschriftenartikel aus Anlass seiner Ermordung
 
Ein Zeitschriftenartikel vom Mai 1933 aus der Zeitschrift für Parapsychologie schaut auf das Leben des Ermordeten zurück, dessen Leiche kurz zuvor bei Berlin aufgefunden worden war, und macht interessante Anmerkungen aus dem Zeitgeschehen heraus.
 
So seien im März 1933 im Berliner Varieté »Scala« dem Publikum die Augen geöffnet worden über die Tricks, die Hanussen bei seinen öffentlichen Auftritten angewandt habe. Dies, zumal kurze Zeit zuvor in einer Pariser Fachzeitschrift für Metaphysik sogar eine wissenschaftliche Untersuchung den Schwindel aufgedeckt habe, mit dem Hanussen arbeite.
 
Die Folge sei gewesen, dass Hanussen an diesem Märztag zwar noch »protzig in seinem Cadillac vorgefahren sein soll«; nachdem aber bei seinem Auftritt das Publikum empört auf seine Schwindeleien reagiert hatte, habe er schließlich »das Theater nur noch mit hochgeschlagenem Kragen durch einen Nebeneingang verlassen«. Dann zog er es vor, gar nicht mehr aufzutreten, womit das Drama seinen Lauf genommen habe, »das nunmehr einem allzu schnellen grausigen Aktschluss zurollte«.
 
»Erleichterte er denen, die nicht alle werden, die Börse. ..«
 
Die Zeitschrift vermutet, dass Hanussen in letzter Zeit enorm hohe Einnahmen gehabt habe, zumal er sich auch noch als Verleger und Herausgeber einer eigenen Zeitung mit Namen »Der Seher« betätigt habe. »In seiner luxuriösen Wohnung erleichterte er denen, die nicht alle werden, die Börse, unter 50 Mark war er nicht persönlich zu sprechen. ..«.
 
Hanussen habe in letzter Zeit auch Anschluss an die nationale Erhebung gewonnen, also an die Nationalsozialisten, von denen er sich Schutz vor gewaltsamen Übergriffen (wohl der Kommunisten) erwartet habe. Mit ihm sei jetzt ein Abenteurer größten Formats gestorben, über den noch lange zu sprechen sein werde.
 
»... seine Hybris hat ihn. .. selber ins Verderben gestürzt!«
 
Der Redakteur Dr. med. Paul Sünner beendet seinen Artikel in der Zeitschrift für Parapsychologie mit der Feststellung: »Fürwahr, ein Mensch mit gewiss hohen Fähigkeiten, Willenskraft, erstaunlichem Gedächtnis und hoher Kombinationsgabe hat die Zeichen seiner Zeit, in der er lebte, zu nutzen verstanden, aber seine Hybris hat ihn schließlich selber ins Verderben gestürzt!«
 
Das Leben des Erik Jan Hanussen wurde 1987 mit Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle verfilmt.
 
 
Bruno Frei: Der Hellseher. Leben u. Sterben des Erik Jan Hanussen, herausgegeben von Antonia Grunenberg. Köln 1980.
 Wilfried Kugel: Hanussen. Die wahre Geschichte des Hermann Steinschneider. Düsseldorf 1998.

Universal-Lexikon. 2012.

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